Teil 26
Eine Reise in der Achterbahn
„Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen…“
Kennt ihr diesen Satz noch?
Ist er aus einem Buch? Ich habe keine Ahnung, aber er begleitet mich schon mein Leben lang.
ich bin mal wieder auf Reisen und kann euch was erzählen.
In den letzten Tagen hab ich wieder öfter in unserer Gruppe gelesen, wie es den neuen Hasen ergeht, die ganz frisch mit der Diagnose versuchen, irgendwo Halt zu finden, alles in Frage stellen und das Gefühl haben, ihr Leben wird sich radikal ändern, ändern müssen, um eine Chance zu haben.
Ich versuche, sie aufzufangen und ihnen Zuversicht zu geben, dass Vieles wieder gut wird. Dass sie ihren Weg finden werden, ihren Umgang mit dem Leben, dem Umfeld, dem Sommer und den eigenen Wünschen und Träumen.
Ich kann ihnen heute, nach vier Jahren sagen, Vieles wird wieder gut.
Vieles…aber ganz ehrlich, eben nicht alles.
Das habe ich in den letzten Wochen, während meiner Reise, wieder gespürt.
Es ist irgendwie immer noch eine Achterbahn und wird es vielleicht immer bleiben.
Während die anderen höchstens mal mit der Wärme kämpfen, der Frage, was es zu essen geben soll, wo man anhält oder wo es die nächste Dusche gibt, fahre ich immer wieder Achterbahn.
Und nicht nur ich, auch mein Mann und hin und wieder..und das ist am schlimmsten…auch die Kinder.
Wenn es nach oben geht, fühle ich mich euphorisch, die Dankbarkeitskeule kreiselt wie ein Windrad über mir und ich könnte ständig jemanden umarmen. Ich freue mich, diese Momente erleben zu können, diese Orte zu sehen und all diese Erinnerungen wie einen Schatz in meine Seele zu pflanzen. Ich fühle ganz sicher viel mehr als andere, wie wertvoll diese Tage sind. Denn sie bauen Erinnerungen.
Ich sitze hier am Atlantik und erzähle meinen Lieben, wie es früher war, mit Mama und Papa in den Urlaub zu fahren..wie sie sich manchmal gestritten haben, mir immer schlecht im Auto wurde und wir uns Buden unter Strandkörben gebaut haben.
Meine Eltern sind schon lange tot, meine Lieben kennen sie gar nicht und doch leben sie weiter, in meinen Erinnerungen und den alten Geschichten.
Erinnerungen sind also ein Schatz, wir können ihn immer wieder heraus holen und niemand kann ihn uns nehmen.
Manchmal frage ich mich, ist das jetzt ein Moment, der im Schatz meiner Kinder weiterleben wird?
Und dann ist sie auf einmal da..die Abfahrt..ich spüre Leichtigkeit, kann fast fliegen, „alles wird wieder gut“ denke ich..und dann werde ich unten abgebremst.
Die Schwere trifft mich wie ein kaltes Handtuch, klatscht mir mitten ins Gesicht.
Die Auslöser sind verschieden. Manchmal ist es die Fatigue, die mich auf die Bretter legt, manchmal die schlimmen Schmerzen von der HWS, denn auch die Baustelle will noch beackert werden, manchmal die Stimme einer Gefährtin, die grade um ihr Leben kämpfen muss und manchmal die Sorge in den Augen meines Mannes.
Dann kommen mir einfach die Tränen, ich fühle mich wie das nasse Handtuch..stinkig, über und unendlich schwer.
Ich wünschte, ich könnte aussteigen, aber bisher geht das nicht.
Vielleicht irgendwann?!
Ich kann den neuen also nur sagen, vieles wird wieder gut.
Aber…
Die Achterbahn ist gebucht, in Dauerschleife.
Das Gute ist, ich kann mehr Abfahrten aushalten ohne zu …als ich dachte.
Ich erhole mich schneller und das Beste ist ja, wenn es wieder hoch geht.
Die Aussicht da oben ist unbezahlbar, das Fliegen ist jedes Mal ein Stück für den Schatz.
Ich bin also wieder weg, die wilde Sause wartet. Fünf Tage habe ich noch an diesem wunderschönen Ort.
Fünf Tage , um sie mit Erinnerungen zu füllen. Und zu akzeptieren, dass auch die Täler zum Leben gehören.
Mit und ohne Krebs.
Was sind deine Schätze?
Erzähl sie heute Abend jemandem, der es wert ist.
Dann leben sie weiter und mit ihnen die Menschen, die sie geschaffen haben.
Bis bald, mes amis.
Katrin
Comments